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Schmetterlingsförmig, zwanzig bis sechzig Gramm leicht und lebenswichtig – so könnte ein kurzer Steckbrief der Schilddrüse, dem kleinen Organ unterhalb des Kehlkopfes, lauten. So klein und doch so überaus wichtig für zahlreiche Prozesse im Körper.

„Tatsächlich wird häufig unterschätzt, wie viel Einfluss Schilddrüsenhormone auf viele Abläufe im ­Körper haben. Sogar auf die Körpertemperatur“, sagt Prof. Dr. Petra-Maria Schumm-Draeger, Fachärztin für Endokrinologie aus München. Wenn das kleine Organ nicht richtig funktioniert, wird das häufig eher zufällig bei einer Routine-Blutuntersuchung entdeckt. Etwa, wenn Arzt oder Ärztin das Thyreoidea-stimulierende Hormon, kurz TSH, mitbestimmen.

Zeigt der Laborbefund, dass das TSH erhöht ist, produziert die Schilddrüse womöglich nicht ausreichend Hormone. Aber: Nicht jeder erhöhte TSH-Wert bedeutet automatisch, dass die Schilddrüse behandelt werden muss.

Warum ist die Schilddrüse wichtig?

Eine gut funktionierende Schilddrüse ist essenziell wichtig für den Menschen. Der Grund: „Die Schilddrüse beziehungsweise deren Hormone steuern den Energieumsatz im Körper. Sie bestimmen, ob der Stoffwechsel auf Hochtouren oder auf Sparflamme läuft“, sagt Schumm-Draeger. Zum Beispiel beschleunigen Schilddrüsenhormone die Atmung, lassen das Herz schneller schlagen und erhöhen den Blutdruck. Auch Magen und Darm, Nerven und Muskeln sind auf eine gesunde Schilddrüse angewiesen.

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Schilddrüse: Was Sie wissen sollten

Bei einer Überfunktion oder Unterfunktion produziert die Schilddrüse zu viele oder zu wenige Schilddrüsenhormone. Hier finden Sie die wichtigsten Antworten zu dem Organ zum Artikel

Wie aktiv das Organ arbeitet, wird über das bereits erwähnte Hormon aus dem Bluttest kontrolliert – das TSH. Gebildet wird es in der Hirnanhangsdrüse im Gehirn, der Steuerzentrale für alle Hormone im Körper. „TSH gibt der Schilddrüse das Kommando, wie viel Hormone sie täglich produzieren soll“, erklärt Schumm-Draeger. Sind ausreichend Schilddrüsenhormone im Blut vorhanden, wird im Normalfall wiede­rum die Bildung von TSH gehemmt.

Wann gilt ein TSH-Wert als erhöht?

Liegt der TSH-Wert unter 4 Milli-Einheiten pro Liter (mU/l), gilt das als normal. Dieser Grenzwert wurde nach oben korrigiert. „Vor einigen Jahren war die Empfehlung noch anders. Damals behandelte man viel früher als heute, und der Normwert lag bei etwa 2,5 mU/l“, sagt Dr. Jeannine Schübel aus Dresden. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin ist Mitautorin der ärztlichen Behandlungsleitlinie „Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin.

Von einem leicht erhöhten TSH spricht man bei Werten bis zu 10 mU/l. Das Interessante: Die meisten Menschen haben bei leicht erhöhtem TSH keine Beschwerden, deswegen wird der Befund bei einer Blutuntersuchung häufig zufällig entdeckt. Die TSH-Menge ist somit das früheste und auch wichtigste Zeichen einer Schilddrüsenfunktionsveränderung, bevor die ersten Beschwerden auftauchen.

Ist das also schon ein Anlass zur Sorge? Nein. „Ein leicht erhöhter TSH-Spiegel ist zunächst unbedenklich und nur eine Auffälligkeit in der Laborliste“, ­erklärt Schübel. „Das ist erst mal kein Grund, etwas zu unternehmen, wir messen den Wert aber nach etwa vier Wochen erneut. Bei etwa 50 Prozent der Patienten ist der TSH-Spiegel dann wieder im Normalbereich.“

Was verursacht einen hohen TSH-Wert?

Für den erhöhten TSH-Wert kann es verschiedene Gründe ­geben. So variiert beispielsweise der TSH im Tagesverlauf, mit höheren Werten am Morgen als am Nachmittag. Auch die Jahreszeit spielt eine Rolle, im Winter sind die Werte häufig höher als im Sommer.

Manchmal zeigt der erhöhte Wert auch, dass der Körper vorübergehend mehr Schilddrüsenhormone braucht. Zum Beispiel bei Schlafmangel, körperlicher Anstrengung, Jetlag, Schichtdienst oder einer akuten und schweren Infektion. Ist die Ursache für die schwankenden Werte weg, reguliert sich das TSH häufig von alleine.

Wie wird eine Unterfunktion der Schilddrüse festgestellt?

Bleibt der TSH-Spiegel bei der Kontrolle hoch, misst der Arzt oder die Ärztin zusätzlich den Wert des Schilddrüsenhormons Thyroxin im Blut. Produziert die Schilddrüse ausreichend Thyroxin, liegt das sogenannte freie Thyroxin (fT4) bei der Laboranalyse im Normalbereich.

Ein erhöhter TSH bei normalem fT4 wird als latente, also unbemerkte Unterfunktion (medizinisch Hypothyreose) bezeichnet. Schätzungen zufolge betrifft das etwa fünf von 100 Menschen. Sie brauchen in der Regel keine Behandlung. Aber, so Endokrinologin Petra-Maria Schumm-Draeger, auch hier gebe es Ausnahmen: „Für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch etwa ist es wichtig, schon den leicht erhöhten TSH-Wert in den normalen Bereich zu bringen.“

Ein niedriger fT4-Wert aber ist nicht nur ein Anzeichen, sondern ein Beweis dafür, dass die Schilddrüse nicht ausreichend arbeitet. In diesem Fall liegt eine manifeste, also ­eine gesicherte Unterfunktion vor.

Gesunde Laborwerte

  • TSH bis 70 Jahre: zwischen 0,4 und 4 mU/l
  • TSH über 70 Jahre: bis 5 mU/l
  • TSH über 80 Jahre: bis 6 mU/l, leicht erhöht: bis 10 mU/l
  • Freies Thyroxin (fT4): zwischen 9,9 und 16,2 Nanogramm pro Liter (ng/l).
  • Der Normbereich variiert je nach Labor.

Welche Symptome hat eine Schilddrüsenunterfunktion?

Fehlen Schilddrüsenhormone, verlangsamt sich der Stoffwechsel. Das beeinträchtigt verschiedene Körperfunktionen und kann viele Beschwerden auslösen.

Dazu gehören unter anderem:

  • Müdigkeit
  • Schwäche
  • Gewichtszunahme
  • Konzentrationsstörungen
  • brüchige Nägel oder Haare
  • Verstopfung
  • Depressionen

Das Problem: Es sind vielfältige, aber nicht eindeutige Symptome. „Jeder Mensch, ob mit oder ohne Hypothyreose, findet bei den Beschwerden etwas, das auf ihn oder sie ­zutrifft“, so Schübel. „Das macht die Diagnose sowohl für Betroffene als auch für Ärzte schwierig.“ Umso wichtiger sind die Laborwerte: Sie können helfen, die Symptome der Schilddrüse zuzuordnen.

Was sind die Ursachen für eine Schilddrüsenunterfunktion?

Die Ursachen, warum die Schilddrüse nicht genügend Hormone produziert, sind unterschiedlich. Wurde das kleine Organ zum Beispiel wegen einer Überfunktion oder Krebs bestrahlt oder operativ entfernt, entsteht ein Mangel an Schilddrüsenhormonen. Auch Medikamente können der Auslöser sein und als Nebenwirkung eine Unterfunktion verursachen. Etwa das Antidepressivum Lithium oder Amiodaron gegen Herzrhythmusstörungen. Bei Patienten und Patientinnen, die diese Arzneimittel nehmen, wird das TSH regelmäßig überprüft.

Die mit Abstand häufigste Ursache für eine behandlungsbedürftige Unterfunktion ist die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis. Schätzungsweise vier von 1000 Frauen und einer von 1000 Männern erkranken daran. Bei Hashimoto greift das körpereigene Abwehrsystem irrtümlich das Gewebe der Schilddrüse an und zerstört es. Am Anfang bleibt die Menge an Schilddrüsenhormonen im Blut oft normal, obwohl Schilddrüsenzellen absterben. Um den Hormonspiegel im Normalbereich zu halten, wächst das noch funktionierende Gewebe. Die Schilddrüse wird bei dieser Erkrankung daher anfangs häufig größer.

Über längere Zeit geht aber so viel Drüsengewebe zugrunde, dass nicht mehr genug Hormone gebildet werden. Dann treten die Beschwerden einer Unterfunktion auf.

Wie wird Hashimoto-Thyreoiditis festgestellt?

Wichtig für die Diagnose von Hashimoto-Thyreoiditis sind typische Antikörper (TPO) im Blut. Sind diese nachweisbar, der TSH-Wert hoch und auch noch Symptome wie Gewichtszunahme oder Müdigkeit vorhanden, deutet das auf Hashimoto hin. Zur Diagnose gehört häufig zudem ein Ultraschall der Schilddrüse. Bei der Untersuchung ist das Organ dann nicht gleichmäßig hellgrau auf den Bildern zu sehen, sondern hat dunkle Flecken, die auf entzündete Areale hinweisen.

Was sind die Ursachen für Hashimoto-Thyreoiditis?

Warum das Immunsystem plötzlich die eigene Schilddrüse angreift, ist unklar. Oft tritt Hashimoto während hormoneller Umbruchphasen auf, wie in der Pubertät, nach der Geburt eines Kindes oder in den Wechseljahren. „Tatsächlich bricht die Erkrankung am häufigsten in den Wechseljahren aus. Oft werden die Symptome dann nicht richtig interpretiert und die Schilddrüse nicht berücksichtigt. Stattdessen werden alle Beschwerden auf die Wechseljahre geschoben“, berichtet Endokrinologin Schumm-Draeger.

Auch entsteht Hashimoto häufig mit weiteren Autoimmunerkrankungen. Menschen mit Typ-1-Diabetes etwa haben vermutlich doppelt so häufig eine Schilddrüsenunterfunktion wie Personen ohne Diabetes. „Gerade bei Patientinnen und Patienten mit unklaren Schwankungen des Blutzuckerspiegels kann eine Unterfunktion der Grund dafür sein“, betont Expertin Schumm-Draeger.

Wie wird die Schilddrüsenunterfunktion behandelt?

Egal ob Hashimoto oder eine andere Ursache hinter der manifesten Hypothyreose steckt, behandelt wird immer gleich – mit dem Wirkstoff Levo­thyroxin (L-Thyroxin). „Man ersetzt das Hormon Thyroxin, das die Schilddrüse nicht oder zu wenig produziert“, erklärt Jeannine Schübel. Künstlich hergestelltes Thyroxin, das L-Thyroxin, in Form von Tabletten gleicht den Hormonmangel aus. Ist die Therapie gut eingestellt, wandert der TSH wieder in den Normalbereich.

Kontrolliert wird zu Beginn der Behandlung monatlich, später jährlich. Dabei ist wichtig zu prüfen, ob der TSH-Wert gleich bleibt, zu niedrig oder zu hoch ist. Eventuell passen Arzt oder Ärztin die L-Thyroxin-Dosis an.

Gerade im Alter wird diese eher reduziert, denn dann sind höhere Werte normal. „Heute weiß man, dass der TSH-Wert mit dem Alter ansteigt. Bei 70-Jährigen kann er problemlos bei 5 mU/l liegen, bei über 80-Jährigen bei 6 mU/l“, erklärt Allgemeinärztin Jeannine Schübel.

Zeigt der Bluttest niedrigere Werte, kann das für ältere Menschen zum Problem werden – denn dann rutschen sie ins andere Extrem, die Überfunktion. Sie treibt Puls und Blutdruck nach oben. Das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder auch Osteoporose steigt. Das möchte die Medizin unbedingt vermeiden – damit das zarte Organ mit der besonderen Form nicht weiter aus dem Takt gerät.


Quellen:

  • Moll D: Warum Schilddrüsen-Werte mehrfach gemessen werden sollten . Deutsche Apotheker Zeitung: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/... (Abgerufen am 14.02.2024)
  • Rausch R: L-Thyroxin doch nicht für immer und ewig?. Deutsche Apotheker Zeitung: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/... (Abgerufen am 15.02.2024)
  • Yamada S, Horiguchi K, Akuzawa M et al. : Seasonal Variation in Thyroid Function in Over 7,000 Healthy Subjects in an Iodine-sufficient Area and Literature Review. In: Journal of the Endocrine Society: 01.06.2022, https://doi.org/...
  • Eppinger U: Gabe von Schilddrüsenhormonen häufig überflüssig: Dies sind Gründe, warum erhöhte TSH-Werte nicht therapiebedürftig sind. Medscape: https://deutsch.medscape.com/... (Abgerufen am 13.02.2024)
  • Pressemitteilung: Typ-1-Diabetes und Hashimoto-Thyreoiditis treten häufig gemeinsam auf. Deutsche Diabetes Gesellschaft: https://www.ddg.info/... (Abgerufen am 13.02.2024)
  • Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V. (DEGAM): S2k-Leitlinie Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis. Leitlinie: 2023. AWMF online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 13.02.2024)

  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Gesundheitsinformation.de: https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 13.02.2024)
  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Hat es Vorteile, eine latente Schilddrüsenunterfunktion zu behandeln?. gesundheitsinformation.de : https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 12.02.2024)
  • Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Hashimoto-Thyreoiditis. gesundheitsinformation.de: https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 15.02.2024)
  • Oberhofer E: Stark erniedrigter TSH-Wert ist ein Warnsignal, Schilddrüse im Alter. ÄrzteZeitung: https://www.aerztezeitung.de/... (Abgerufen am 16.02.2024)